Kunstraub von Boston
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Der Kunstraub von Boston wurde am frühen Morgen des 18. März 1990 verübt. Dabei wurden aus der Sammlung des Isabella Stewart Gardner Museum in Boston, Massachusetts dreizehn Kunstwerke geraubt. Die Nachtwächter des Museums wurden von zwei als Polizisten verkleideten Tätern überrumpelt, die vorgeblich auf eine Beschwerde über Ruhestörung am Museum erschienen waren. Sie fesselten das Wachpersonal und brachten innerhalb von knapp eineinhalb Stunden die in drei verschiedenen Räumen des Museums ausgestellten Kunstwerke in ihren Besitz. Das Federal Bureau of Investigation (FBI) hat den Wert der Beute mit 500 Millionen US-Dollar angegeben. Damit ist der Kunstraub von Boston in der Kriminalgeschichte der Kunstdiebstahl mit der wertvollsten Beute. Trotz umfangreicher Fahndungsmaßnahmen im In- und Ausland konnten weder die Täter ermittelt noch Teile der Beute sichergestellt werden. Das Museum hat eine Belohnung von mittlerweile 10 Millionen US-Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zur Wiederbeschaffung der Kunstwerke führen. Das ist die höchste jemals von einer privaten Einrichtung ausgesetzte Belohnung.
Die gestohlenen Kunstwerke waren Teil der privaten Kunstsammlung von Isabella Stewart Gardner, die seit 1903 in dem nach ihr benannten Museum öffentlich ausgestellt wird. Seit Gardners Tod im Jahr 1924 wird die Sammlung von einer Stiftung verwaltet. Die Stifterin hat verfügt, dass die Kunstwerke ohne jegliche Veränderung in der von ihr bestimmten Weise präsentiert werden. Das schloss auch Verkäufe und Zukäufe aus. Aus Respekt vor dem Willen der Stifterin befinden sich seit dem Raub die leeren Bilderrahmen als Erinnerung an die fehlenden Werke und als Platzhalter für deren erwartete Rückkehr an den Wänden.
Unter den geraubten Kunstwerken befindet sich mit Das Konzert eines von nur etwa drei Dutzend erhaltenen Werken des niederländischen Malers Jan Vermeer. Dieses Bild gilt als das wertvollste verschollene Gemälde der Welt. Das einzige Seestück Rembrandts, Christus im Sturm auf dem See Genezareth, gehört ebenfalls zur Beute, wie auch sein Porträt eines Ehepaars und ein radiertes Selbstporträt im Kleinformat. Sein Selbstporträt mit gefiedertem Barett blieb hingegen zurück. Weitere geraubte Kunstwerke sind Arbeiten von Degas, Manet und Flinck, sowie ein Aigle de drapeau und ein Ku, ein chinesisches rituelles Bronzegefäß. Die Auswahl der geraubten Objekte erscheint rätselhaft, da den weniger wertvollen Beutestücken eine Reihe von bedeutenden Kunstwerken gegenübersteht, die im Museum zurückgelassen wurden.
Das FBI rechnet den Raub der organisierten Kriminalität zu. Die Ermittler stützten ihre Arbeit wegen des Fehlens von Spuren der Täter auf die Vernehmung von Zeugen und Verdächtigen, den Einsatz verdeckter Ermittler und Sting-Operationen. Zunächst wurde gegen einen der überwältigten Wachmänner ermittelt, der sich in den Stunden vor dem Überfall verdächtig verhalten hatte. James „Whitey“ Bulger war als Boss der Winter Hill Gang zum Zeitpunkt des Raubs einer der bedeutendsten Vertreter der organisierten Kriminalität in der Metropolregion Greater Boston. Seine bekannten Kontakte zur Bostoner Polizei und in die irischstämmige Bostoner Unterwelt machten ihn verdächtig. Eine andere Spur führte zur Gang von Carmello Merlino in Dorchester, einem Stadtteil von Boston. Merlino und seine Gang gehörten zum Umfeld der Patriarca-Familie, die in den Jahrzehnten vor dem Kunstraub die Unterwelt von Boston und Neuengland dominierte. Einige der Gang-Mitglieder wurden im Rahmen einer Sting-Operation inhaftiert. Obwohl ihnen Geld, reduzierte Haftstrafen und sogar Straffreiheit zugesichert wurde, leugneten die Verdächtigen die Tat oder gaben nur nutzlose Hinweise.
Ein weiteres Ziel der Ermittlungen war der als Boston Mafia bekannte Teil der Patriarca-Familie, der zum Zeitpunkt des Raubs in einem Bandenkrieg verwickelt war. Der Bostoner Gangster Bobby Donati, der eineinhalb Jahre nach dem Raub ermordet wurde, galt als Hauptverdächtiger. Donati sollte einer Theorie zufolge den Raub begangen haben, um seinen Capo Vincent Ferrara freizupressen. Ferrara war ein hochrangiges Mitglied der Patriarca-Familie, befand sich in Untersuchungshaft. Er wurde acht Tage nach dem Raub, zusammen mit dem Boss Raymond Patriarca, Jr. und anderen prominenten Mitgliedern der Familie, der Erpressung, des Racketeering, illegalen Glücksspiels, Drogenhandels und Mordes angeklagt.
Mehr als 30 Jahre nach dem Raub ist die Beute noch verschollen. Das Isabella Stewart Gardner Museum und das Federal Bureau of Investigation treten in unregelmäßigen Abständen an die Öffentlichkeit, wobei es angesichts der Verjährung des Raubs nicht um die Ermittlung der Täter, sondern um die Wiederbeschaffung der Kunstwerke geht.